Auf die Frage an Arne „ob er Lust auf was Südseitiges in den Nördlichen Kalkalpen“ habe, muss ich auf die Antwort nicht lange warten. Für das Schüsselkar bedarf es dann auch keinerlei Überredungskünste. Bei den lose aufgezählten, mir namentlich bekannten Routen, bleiben wir am Bayerischen Traum hängen. Die zweite Seilschaft bildet heute Susanne und Martin. Sie ziehen aber die genüsslichere Variante an der Schüsselkarspitze vor und machen die Siemens/Wolf. Also ein Mal Softrock und ein Mal Hardrock. Wobei ich das mit dem Hardrock noch unangenehm zu spüren bekommen werde…

Die traumreiche Nacht verbringen wir unter freiem Himmel auf einer Kiesbank hinter dem Parkplatz in Puitbach. Dank der bolivienerprobten Ausrüstung ist das wirklich ein Genuss. Der Zustieg durch das Puitbachtal bedarf eigentlich auch keiner weiteren Erklärung. Wenn man aus dem Wald ins Schüsselkar kommt, wird’s gleich noch schöner.

Schüsselkar
Schüsselkar

Unter der Schüsselkarspitze teilen sich die Wege unserer beiden Seilschaften. Susanne und Martin laufen weiter in Richtung Wangscharte, während wir abbiegen und uns auf der Schuttreiße dem Einstieg nähern. Hier brotzeiten schon zwei junge Murnauer, die uns aber gerne den Vortritt lassen.

Die ersten Seillängen sind zwar kein Spaziergang, aber es hält sich alles noch einigermaßen im Rahmen. Die Schwierigkeiten bewegen sich so zwischen V und VII-. Wie man Stau am Standplatz vermeidet, lerne ich auch gleich noch: Ein kurzer Blick in das Topo und schon klettern wir halt gleich zwei Seillängen auf einmal. Richtig interessant wird’s dann bei der großen Piazverschneidung.

Piazschuppe
Piazschuppe

Ziemlich clean das ganze Teil. Aber Arne legt, bevor er da groß Zeit und Kraft vergeudet, zwei Runouts hin, die es in sich haben. Den morschen Strick an einem Klemmblock in der Mitte hängt er zwar ein, aber reinstürzen sollte man da eher nicht. Für mich im Nachstieg geht das Ganze eigentlich überraschend gut. Erst im letzten Stück gibt’s den ersten unangenehmen Kontakt mit dem fast noch jungfräulich rauen Wettersteinkalk. In der darauffolgenden Seillänge löse ich die Crux, indem ich mich bäuchlings an ein paar Grasbüscheln klammernd über ein Band robbe. Zum Glück hat das niemand gesehen. So, und dann kommt die Schlüsselstelle: Ein leicht ansteigende Querung, Schwierigkeit 8-. Ich hab die Hosen schon voll bevor’s losgeht. Bei einem Sturz nach dem 2. Haken würde ich mich 3m tiefer in noch griff- und trittärmeren Gelände wiederfinden. Keine schöne Aussicht. Die Hoffnung das Ding auch nur ansatzweise frei zu klettern gebe ich lieber gleich auf. Aber auch A0 ist das nicht ganz ohne. Irgendwie komme ich dann doch über die Stelle hinweg. Die Hautfetzen hängen wahrscheinlich jetzt noch da rum. Puh, geschafft! Jetzt nur noch VI+. Aber die letzte Seillänge ist noch Mal ganz schön kräftig, die Arme sind einfach leer, die Füße tun weh und mir ist kalt. Die anschließende Abseilfahrt über die Route bzw. die Friedenspfeife nebenan ist noch ein Abenteuer für sich. Schräg und überhängend. Das muss man erstmal hinbekommen.

Abseilfahrt
Abseilfahrt

Bei den Rucksäcken angekommen, erfahren wir, dass die beiden anderen auch gerade losmarschieren. Wir treffen uns wieder an der Abzweigung. Susanne ist bestens gelaunt, Martin auch, Arne sowieso. Ich bin kaputt, zufrieden und glücklich. So geht ein langgehegter Bayerischer Traum in Erfüllung. Allerdings vorsteigen hätte ich heute keinen Meter wollen.

Kommentar verfassen