Vor ziemlich genau 20 Jahren war ich schon einmal auf dem Gipfel des Dachsteins. Für uns damals ein wahrlich großes Abenteuer. Unsere erste große Bergfahrt, ein schier endloser Zustieg von den Gosauseen, mit Steigeisen über den Gletscher und Kletterei auf den Gipfel. Ich erinnere mich noch, dass ich mir nur schwer vorstellen konnte, wie das sein würde: Kletterei im 2. Schwierigkeitsgrad. In den heimischen Sportkletterrevieren haben wir schon ganz andere Schwierigkeitsgrade gemeistert. Aber alpin waren wir noch vollkommene Novizen. In der vergangenen 20 Jahren sind etliche Gipfel hinzu gekommen, aber Abenteuer sind und bleiben sie immer.

Salzburger Band
Salzburger Band

Zurück ins Hier und Jetzt. Susanne ist genervt, dass uns die Tage mit den super Verhältnissen wie Eis bei den Temperaturen zerrinnen. Die Wochenenden sind alle blockiert und wer weiß, wie lange das Wetter noch so stabil bleibt. Also muss eine andere Lösung her: Unter der Woche den Terminkalender freimachen und kurzfristig ab in die Berge. Das bringt sowieso mehrere Vorteile: Weniger Verkehr auf den Straßen, aber auch in den Kletterrouten. Gesagt, getan, Ziele für solche Unternehmungen hab ich etliche im Kopf, unter anderem die Südwand des Hohen Dachsteins. Eine der großen und berühmten Wände der Ostalpen. Eine über 800m hohe Felsenmauer, die sich steil über der Ramsau erhebt. Dienstag Abend bis zum großen Parkplatz an der Seilbahn, schnell in den Schlafsack verkriechen. Lange schlafen ist eh nicht drin. Um 4 Uhr ist Abmarsch. Wir wollen ja nicht als Letzte einsteigen. Steinschlag, Stress am Standplatz, Gewitterneigung am Nachmittag, alles Gründe, warum man das vermeiden will. Kurz nach der Südwandhütte überholen uns zwei noch flottere. Wohin geht’s? Steinerweg. Ah, gleiches Ziel. Der Zustieg ist im Führer leider nicht sehr gut beschrieben, aber sollte schon passen… Nach einer Dreiviertelstunde kommen uns die beiden Lichter wieder entgegen. „Äh, komisch irgendwie sieht das grad alles ganz anders aus, als beim letzten Mal.“ Ratlosigkeit macht sich breit, die Stimmung kippt. Alles wieder zurück. Nach einem weiteren Verhauer sind wir endlich doch auf dem richtigen Weg. Und die Letzten am Einstieg, eine Stunde Vorsprung aufgebraucht. Die beiden anderen drehen um. Wir bleiben und steigen ein.

Steinerweg
Steinerweg

Vor uns eine geführte Dreier-Seilschaft, immerhin müssen wir uns jetzt am Einstieg keine Gedanken um die Wegfindung machen. Auf dem Dachgiebel lassen wir die drei hinter uns. Nach dem Salzburger Band schließen wir zu zwei jungen Österreichern auf. Sie klettern in ähnlichem Tempo, so bleiben wir dahinter. Seillänge um Seillänge geht es nach oben. Gerade im zweiten Teil immer anhalten steil, aber durchwegs gute Felsqualität. Die Absicherung passt auch, trotzdem kein Ort für Unachtsamkeiten. Die Kaminreihen und die Schlüsselseillänge sind zwar mit dem Rucksack am Buckel etwas unkommod, aber alles löst sich schön auf. Nach gut sieben Stunden sind wir oben. Über den Randkluftsteig geht es hinunter auf den Hallstätter Gletscher und zur Bergstation der Dachstein Seilbahn.

Was ist das?
Was ist das?

Wir sind zurück in der Zivilisation oder dem, was die Macher von „Der Dachstein“ sich so darunter vorstellen. „Nervenkitzel mit Aussicht“: Der Thrill für die Großstadtabenteurer. Im Kampf um Gäste und Touristen wird die außerordentlich beeindruckende Natur hier oben bis zur Unkenntlichkeit verschandelt und ausgeschlachtet. Hängebrücken, Aussichtsplattform, Sky Walk, Eispalast, Personenförderband mit Blasmusik aus Lautsprechern. So schrecklich, dass man es kaum beschreiben kann. Man muss es gesehen haben, oder nein, halt, besser nicht. Beim Blick zurück wird klar, dass diese Wand trotz ihrer Nähe zu Beton, Glas und Lärm eine andere Welt ist.